13. Der Ring des Polykrates.
309
Doch einer lebt noch, sie zu rächen;
Dich kann mein Mund nicht glücklich sprechen,
So lang' des Feindes Auge wacht." —
Und eh' der König noch geendet,
Da stellt sich, von Milet gesendet,
Ein Bote dem Tyrannen dar:
„Laß, Herr, des Opfers Düste steigen,
Und mit des Lorbeers muntern Zweigen
Bekränze dir dein festlich Haar!"
„Getroffen sank dein Feind vom Speere;
Mich sendet mit der frohen Märe
Dein treuer Feldherr Polydor —"
Und nimmt aus einem schwarzen Becken,
Noch blutig, zu der beiden Schrecken,
Ein wohlbekanntes Haupt hervor.
Der König tritt zurück mit Grauen:
„Doch warn' ich dich, dem Glück zu trauen",
Versetzt er mit besorgtem Blick.
„Bedenk, auf ungetreuen Wellen,
Wie leicht kann sie der Sturm zerschellen,
Schwimmt deiner Flotte zweifelnd Glück.%
Und eh' er noch das Wort gesprochen,
Hat ihn der Jubel unterbrochen,
Der von der Rhede jauchzend schallt.
Mit fremden Schätzen reich beladen,
Kehrt zu den heimischen Gestaden
Der Schiffe mastenreicher Wald.
Der königliche Gast erstaunt:
„Dein Glück ist heute gut gelauuet;
Doch fürchte seinen Unbestand.
Der Kreter wasfenkünd'ge Scharen
Bedräuen dich mit Kriegsgefahren;
Schon nahe sind sie diesem Strand."
Und eh' ihm noch das Wort entfallen,
Da sieht man's von den Schissen wallen,
Und tausend Stimmen rufen: „Sieg!
Von Feindesnot sind wir befreiet,
Die Kreter hat der Sturm zerstreuet;
Vorbei, geendet ist der Krieg!"
Das hört der Gastfreund mit Entsetzen:
„Fürwahr, ich muß dich glücklich schätzen!
Doch," spricht er, „zittr' ich für dein Heil.
Mir grauet vor der Götter Neide;
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T15: [Schiff Flotte Hafen England Jahr Insel Engländer Meer Küste Kriegsschiff], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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12
9. Pflege der Zimmerpflanzen.
Lei warmem, nicht allzu heftigem Regen ist es sehr gut,
die Zimmerpflanzen ins Freie zu stellen, doch nicht allzulange.
Das Versetzen besonders wertvoller Pflanzen überlassest
Du, liebe Anna, am besten dem Gärtner, da für gewisse Pflanzen-
gattungen verschiedene Erde erforderlich ist. Oder willst Du es
durchaus selbst besorgen, so gib beim Kaufen der Erde die Ge-
wächse an, für welche Du sie brauchst. Ist die Pflanze gesund,
so erhält sie beim Verpflanzen einen grösseren Topf; ist aber
ein Teil der Wurzeln faul und muss er daher entfernt werden,
so nimmt man einen kleineren Topf. Das Versetzen geschieht
vom März ab, jedoch nicht mehr im Spätherbst oder Winter.
Eine ganz besondere Freude bereiten mir meine eben jetzt
in prächtigem Farbenspiel prangenden Blumenbretter vor den
Fenstern, die mir schon manches Lob meiner Besucher ein-
getragen und manchen Ruf der Bewunderung von Vorüber-
gehenden veranlasst haben. Es ist dies mein kleines Haus-
gärtchen, auf das ich stolz bin. Die Blumenstöcke sind nicht in
einzelnen Töpfen, sondern gleich in ein Kistchen aus Holz
gepflanzt, da sie in diesem Falle weniger Wasser nötig haben,
als in ersterem. Morgens und abends begiefse und überspritze
ich sie je nach Trockenheit der Witterung mehr oder weniger.
Da sie an der Südseite des Hauses angebracht sind, so muss
ich sie im Hochsommer gegen die Mittagssonne durch Fenster-
schirme schützen.
In einem meiner Kistchen habe ich z. B. 3—4 Geranien
(scharlachrot, rosa, salmfarbig und weiss), 1 gelbliches oder weifses
Chrysanthemum, 1 blaue und 1 rosa Hortensie, 2—3 farbige
Fuchsien, 2 blaue Lobelien, 1 Vanille, Epheu geranium etc. etc.,
was eine vorzügliche Farbenwirkung hervorbringt.
Ich möchte Dir dringend empfehlen, einen solch reizenden
Zimmerschmuck anzuschaffen und bin herzlich gern bereit, Dir
einige Ableger von meinen Geranien und Hortensien zu schicken.
Wenn Dir auch nicht gleich alles aufs beste gelingt, so
darfst Du Dich, meine Liebe, nicht entmutigen lassen. Durch
Fehlen lernt man. Und die Pflege der Pflanzen ist ein wahrer
Quell der Freude für den Naturfreund. Er liebt die jungen,
zarten Sprösslinge, die seine verständige, liebevolle Fürsorge
durch ihr fröhliches, kräftiges Gedeihen dankbar belohnen, und
die allmähliche Entwickelung jedes neuen jungen Lebens erfüllt
ihn mit inniger Freude.
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28. Tagebuch-Blätter.
37
besten durch verdünnte Salzsäure oder Essigsäure entfernt, welche den
Kesselstein auflösen. Unreines Wasser, das häufig verweste und zersetzte
Pflanzen- oder Tierstoffe enthält, benütze man nie zum Kochen, noch
weniger zum Trinken, da es der Gesundheit nachteilig werden kann.
Sollte sich in einer Gegend nur schlechtes Grundwasser finden, aus
einem Untergründe, in welchem viel tierische und pflanzliche Stoffe ver-
wesen, so ist dasselbe erst abzusieden, ehe man es als Trink- oder Nntz-
wasser verwendet. Wird gekochtes Wasser nach dem Abkochen an der
Luft stehen gelassen, so nimmt es die durch das Abkochen verloren ge-
gangene Kohlensäure wieder ans und gewinnt dadurch an Schmackhaftig-
keit. Zur Zeit epidemischer Krankheiten ist die Vorsicht des Abkochens
dringend anzuraten.
28. Ein Besuch auf der Alm.
Tagebuchblätter.
Unser langgehegter Wunsch war endlich erfüllt: wir befanden
uns auf einer Alm. An einem taufrischen Morgen waren wir
aufgestiegen durch den schattigen Tann unter dem Tosen eines
thalwärts eilenden Gebirgsbaches. Den letzten Bühl, den wir er-
stiegen, krönt ein einfaches hölzernes Kreuz. Hier hielten wir
Rast und genossen die heilige Ruhe der Bergwelt ringsum. Nichts
unterbrach diese Stille, als das trauliche Herdengeläute, welches
von den grasbewachsenen Abhängen her ertönte.
Warmes Sonnenlicht überflutete die Höhen; da und dort
hob sich glitzernd ein Schneefeld von dem Blau des Himmels
ab; tief drunten lagen die freundlichen Häuser des Dorfes. Ein
Gefühl der Andacht ergriff uns, und unwillkürlich drängte sich
uns das Wort des Dichters auf die Lippen: »Wie rein und schön
und treu muss ein Gott sein, der eine solche Welt erschufi«
Endlich verliessen wir das stille Plätzchen und lenkten un-
sere Schritte der Almhütte zu, welche sich in einiger Entfernung
an eine Bergwand lehnte. Der nasse Weg zur Hütte war nicht
eben einladend. Ihr Unterbau war gemauert, der obere Teil aus
Balken gezimmert. Das weit vorspringende Dach beschwerten
grosse Steine; an ihnen und in den Lücken der Wände hatte
sich Moos angesiedelt.
Als Treppe führten ein paar holperige Steinblöcke zur Thüre
empor. Der hölzerne Drücker gab nach, und wir traten mit freund-
lichern Grufse ein. Das Innere der Hütte bot ein höchst ein-
faches Bild; da war ein gemauerter Herd, auf dem ein lustiges
Feuer flackerte; darüber schwebte an einem Haken ein grosser
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12. In der Kinderstube.
richtet, also die eigene Kraft dazu benutzt. Alle künstlich eingerichteten Unter-
stützungen, wie Laufkörbe, Gängelband re. veranlassen zu heftige vorzeitige
Bewegungen, drücken die Brust und krümmen die Wirbelsäule und die Beine.
Ein so unterstütztes Kind verläßt sich zu sehr auf fremde Hilfe, wendet seine
eigene Kraft nicht an und gewinnt kein Selbstvertrauen. Wenn das Kind
gehen kann, so lasse man es nicht zu lange gehen. Ist es müde und will es
nicht mehr, so gewähre man ihm Ruhe. Beim Laufen und Svringen bewahre
man es vor Überanstrengung.
Für die Bildung der Sinne kann in der Kinderstube schon viel ge-
schehen. Gehör und Gesicht erfordern, als die edelsten Sinne, die sorgsamste
Pflege. Das Gehörorgan wird gepflegt durch Reinhaltung der äußeren
Gehörwege von überflüssigem Ohrenschmalz, durch Abhärtung gegen äußere
Witterungs Verhältnisse, durch Vermeidung von raschem Wechsel der Tempe-
ratur und von zu starkem Schall, wodurch das Trommelfell leicht zerreißt.
Man vermeide an der Wiege des Säuglings allen Lärm und alles starke
Geräusch. Die Worte, welche man zu ihm spricht, seien sanft; wenn das
Kind selbst sprechen lernt und sprechen kann, so gewöhne man es an sanftes,
wohllautendes Sprechen. Man mache es auf alle Töne im Naturleben auf-
merksam und lehre es genau hören.
Dem Auge schadet grelles und schnell wechselndes Licht, Schauen in die
Sonne oder aus glänzende Gegenstände, vieles und anhaltendes Lesen und
Schreiben, Lesen in der Dämmerung, Lesen zu kleinen Druckes, Lesen beim
Gehen und Fahren, Schreiben mit blasser Tinte, besonders bei Kerzenlicht,
Staub, Rauch, Schielen nach der Seite.
Um die Sprache des Kindes zu bilden, sage man ihm langsam, deutlich
und richtig einzelne Worte vor und wiederhole sie so lange und lasse sie so
oft nachsprechen, bis das Kind den Wortlaut genau, deutlich und ohne Mühe
hervorbringt. Ein großer, sehr häufig vorkommender Fehler ist es, daß man
nicht nur die falsche Aussprache der Kinder duldet, sondern dieselbe belächelt,
ja sogar komisch lautende Ausdrücke zu wiederholen veranlaßt. Allmählich
gebe man dem Kinde zuerst in kleinen, dann in längeren Sätzen Aufträge
an Hausgenossen, die es zuerst nachsprechen, dann überbringen muß, worauf
es die Antwort zurückzubringen hat. Endlich erzähle man dem Kinde Ge-
schichtchen und lasse sie von ihm wiedererzählen oder es eigene Erlebnisse
berichten. Kinder in der Wiege lauschen schon gern dem Gesang der Mutter-
Gesang wirkt auf das Gemüt; wer für die Kinder und mit ihnen singt, trägt
zur Erheiterung des Gemütes bei.
B. Geist es- und Gemütsbildung.
Die Entwicklung des jungen Geisteskeimes hängt von dem Geiste und
dem Gemütsleben der Mutter oder deren Stellvertreterin ab. Die Seele des
Kindes ist ein weicher und für Eindrücke äußerst empfänglicher Stoff. Bei
dem ungemein großen Nachahmungstriebe der Kinder ist das Beispiel
der Erzieherin von höchster Wichtigkeit. Wo diese den Pflichten lebt, welche
das stille, eingezogene Familienleben erfordert, da empfängt es unvermerkt
Sinn für Häuslichkeit. Wo auf Ordnung gehalten wird, da gewöhnt es sich
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31. Der Geflügelhof.
drollig ist der Schrecken dieser Pflegemutter, wenn trotz ihres Mahnrufes sich
die kleinen Schützlinge ihrem Elemente überlassen.
Das ist ein Flattern und Schwirren, ein Gackern, Krähen und Schnattern
den lieben langen Sommertag, wahrhaftig ein fröhliches Leben, das ich schon
nicht mehr missen könnte!
Die Ställe hat der Vater selbst mit den einfachsten Mitteln hergestellt.
Für die Hühner ist in dem Holzschuppen ein Verschlag gemacht, dessen Bretter
gut schließen, damit keine Zugluft entsteht. Über die kleine Lichtung in der
Thüre ist ein Gitter genagelt. Ungefähr in halber Höhe des Stalles sind
Sitzstangen von etwa 6 6m int Durchmesser angebracht; unterhalb derselben
hat der Vater zwei Bretter neben einander befestigt, damit der Kot der Vögel
nicht zu Boden falle und den auf demselben aufgestreuten Sand verunreinige.
In der Höhe dieser Bretter befindet sich der Einlauf, von dem eine kleine
Treppe sowohl innen als außen abwärts führt. Damit ist die ganze Ein-
richtung meines Hühnerschlassaales fertig, und es ist nur noch zu bemerken,
daß derselbe außerordentlich rein gehalten werden muß. Im Winter habe
ich denselben mit Stroh und Mist außen gut eingeschlagen, damit die Tiere
hübsch warm hatten. Überhaupt muß man dieselben ja vor Kälte, Regen,
Schnee und Wind schützen. Bei ungünstiger Witterung halten sie daher ihre
Promenaden unter der gedeckten Schuppe, wobei sie sich mit Aufscharren des
Bodens oder mit Baden im Sande die Zeit vertreiben. Bei warmem Wetter
aber lasse ich sie natürlich ins Freie.
Von dem Hühnerstall getrennt ist der für die Enten und zwar in der
Nähe des Teiches. Er besteht lediglich aus einer umgestürzten großen Kiste
mit einem ausgeschnittenen Schlupfloch, das natürlich, wie der Einlauf des
Hühnerstalles, jeden Abend sorgfältig geschlossen werden muß, damit die
Vögel vor Raubtieren, als Mardern, Katzen 2c. geschützt seien. Meine
Entlein, die gar zu gern im Freien übernachten möchten, muß ich jeden
Abend in den Stall locken. Der Boden desselben ist Natnrboden und mit
Streu belegt, welche oft gewechselt werden muß.
Die Stallung für meine Gänse besteht aus einem etwa 2 qm großen
Bretterhause in der Nähe des Teiches.
Die Tauben aber wohnen gleich unter dem Dachraum unsers Wohn-
hauses, wo an der Giebelseite unter den Sparren ein Verschlag hergestellt ist; zu
diesem führt eine kleine Thüre, und innen ist derselbe durch Brettchen in
mehrere Fächer geteilt (von etwa 30—35 cm Höhe und Weite), so daß jedes
Taubenpärchen ein eigenes Fach besitzt- Vom Flugloch aus, das in die
Mauer gemacht ist, stehen 25—30 cm lange, schmale Flugbretter hervor. An
jenem befindet sich ein Schieber, der mittels einer bis zum Boden herab-
hängenden Schnur geschlossen und aufgezogen werden kann.
Hat mich nun am frühen Morgen das Krähen des Hahnes geweckt, so
ist es eines meiner ersten Geschäfte, die des Abends sorgfältig verschlossenen
Ställe zu öffnen, meine lieben Pfleglinge, wenn es die Witterung erlaubt,
ins Freie zu lassen und sie zu füttern. Das ist nun ein Flügelschlagen
und Betteln und Pipsen, wenn ich mit dem Futterkorb unter sie trete! Die
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
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12. In der Kinderstube.
passendsten. Die sich mehr und mehr entwickelnde Anschauungs- und Dar-
stellungskraft größerer Kinder fördere man durch Spielsachen, die dem
Beschäftigungstrieb, der Einbildungskraft, dem Formensinn ein stets neues
Feld öffnen, wie Baukästen für Knaben, Puppen und Puppenzimmer für
Mädchen; das Anschauungs-, Vorstellungs- und Unterscheidungsvermögen,
sowie den Farbensinn unterstütze man durch passende Bilderbücher für Knaben
und Mädchen, durch Zeichnungen zu Malversuchen bei Knaben, durch Küchen
samt Einrichtung, Puppenbekleidung für Mädchen. Nie versäume man, die
Kleinen anzuhalten, nach dem Spiele alles wieder mit' eigenen Händen zu
ordnen; schon das Kind lerne, daß es bewahren und verwahren muß, was
es in seinem Besitz erhalten will. Häufig erzähle man den Kleinen schöne
Geschichtchen aus Grimms Märchen, lehre sie hübsche Kinderlieber von Hofs-
mann von Fallersleben, und lasse sie Kindermärchen von Rückert, aus Grimms
Fabelbuch, Gülls Kinderheimat hören und nacherzählen; den älteren Kindern
suche man gute Jugendschriften zu verschaffen. Welche Lust herrscht im Kreise
solch weise beschäftigter, still sich vergnügender Kinder! Doch mehr noch der
Lust, wenn der Frühling hinauslockt ins Freie, in Garten und Wald, in
Thäler und auf Höhen! Da entfliegen sie uns; da lasset sie ziehen und,
besser noch, zieht mit ihnen!
Unvermeidlich ist wohl dann und wann ein Streit in der Kinderstube.
Entsteht ein solcher, so ruhe man nicht, bis die Streitenden sich versöhnt,
einander angelacht, durch einen Händedruck oder eine sonstige Zärtlichkeit
ihrer versöhnten Stimmung Ausdruck gegeben haben.
Eine Versündigung an der reinen, arglosen Kindesnatur ist es, wenn
man dem Kinde durch Erzählung alberner Geschichten oder gar durch eigenes
Beispiel Furcht beibringt. Die Furchtsamkeit ist wie eine ansteckende
Krankheit und wird besonders von den Dienstboten auf die Kinder vererbt.
Man vernichte die Furcht, wo sie sich zeigt, gleich im Keime; man lasse das
Kind den furchterregenden Gegenstand näher kennen und sich von dessen Un-
schädlichkeit und Gefahrlosigkeit überzeugen. Auch eine allzugroße Ängstlichkeit
kann dem Kinde Furcht beibringen und es einer köstlichen Eigenschaft, des
harmlosen, kecken, kindlichen Mutes, berauben.
In den ersten Zeiten seines Daseins lebt das Kind im Naturzustand und
folgt im Essen, Trinken, in all seinen Bewegungen seinen Neigungen, ohne
eine Idee von den Forderungen zu haben, welche die Gesetze des Anstandes
an den Menschen stellen. Die Erziehung stellt uns jedoch die Ausgabe, ihm
Sitten beizubringen, welche eine unerläßliche Bedingung wahrer, allseitiger
Bildung sind. Unter die Gesetze des Anstandes fällt auch das Betragen der
Kinder bei Tische. Die diesbezüglichen Anstandsregeln sind ihnen mit Geduld
und Nachsicht beizubringen. Die Natürlichkeit der Kinder darf jedoch darunter
nicht Schaden leiden; sie sollen keine ängstlich steifen Gliederpuppen werden.
Wir dürfen unsere Kinder noch so sorgfältig erziehen, noch so sehr aus
ihr Wohl bedacht sein, unsere Thätigkeit hätte nicht den rechten Wert, wenn
wir nicht die kostbarste Blume des Menschenherzens in ihnen zu pflegen ver-
stünden: die Religion.
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13. Wiegenlied.
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Bevor noch das Kind zu erkennen vermag, was neben, unter und über
ihm steht, kündet sich in seinem Herzen eine Ahnung seiner Abhängigkeit an.
Es hört von einem Gott, es spricht von ihm, es macht sich wohl auch ein
Bild von ihm. Gläubig nimmt seine Seele den Gedanken aus, daß es in
Verbindung mit diesem Gotte stehe und er sein Antlitz je nach seinem Ver-
halten bald liebend zu ihm neige, bald trauernd von ihm abwende. Dieser Ge-
danke soll es zur Sittlichkeit führen und auf seine Handlungen von Einfluß sein.
Nun lehrt die Mutter das Kind beten, lehrt es, alles Gute von Gott
herleiten und für alles Gute ihm Dank zu sagen. Sie erzieht das Kind int
Sinne des schönen Dichterwortes:
„Lebe rein, mein Kind, dies schöne Leben, ! daß du, wenn der Vater niederschauet,
rein von allem Fehl und bösem Wissen: seist sein liebstes Augenmerk auf Erden."
wie die Lilie lebt in stiller Unschuld, ! (Nach Kübler.)
13. Wiegenlied.
1. Sonne hat sich müd gelaufen, spricht: »Nun lass ich’s sein!«
Geht zu Bett und schliefst die Augen und schläft ruhig ein.
Summ, summ, summ,
Mein Kindchen macht es ebenso; mein Kindchen ist nicht dumm.
2. Bäumchen, das noch eben rauschte, spricht: »Was soll das sein?
Will die Sonne nicht mehr scheinen, schlaf ich ruhig ein!«
Summ, summ, summ,
Mein Kindchen macht es ebenso; mein Kindchen ist nicht dumm.
3. Vogel, der im Baum gesungen, spricht: »Was soll das sein?
Will das Bäumchen nicht mehr rauschen, schlaf ich ruhig ein!«
Summ, summ, summ,
Mein Kindchen macht es ebenso, mein Kindchen ist nicht dumm.
4. Häschen spitzt die langen Ohren, spricht: »Was soll das sein?
Hör ich keinen Vogel singen, schlaf ich ruhig ein!«
Summ, summ, summ,
Mein Kindchen macht es ebenso; mein Kindchen ist nicht dumm.
5. Jäger höret auf zu blasen, spricht: »Was soll das sein?
Seh ich keinen Hasen laufen, schlaf ich ruhig ein!«
Summ, summ, summ,
Mein Kindchen macht es ebenso; mein Kindchen ist nicht dumm.
6. Kommt der Mond und guckt herunter, spricht: »Was soll das sein?
Kein Jäger lauscht?
Kein Häschen springt?
Kein Vogel singt?
Kein Bäumchen rauscht?
Kein Sonnenschein?
Und’s Kind allein
Sollt wach noch sein?
Nein, nein, nein!
Lieb Kindchen macht die Augen zu; lieb Kindchen schläft schon ein!
(Bob. Reinick.)
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17. Die Kinder zu Hameln.
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Bunting soll geheissen haben und gab sich für einen Rattenfänger aus,
indem er versprach, gegen ein gewisses Geld die Stadt von allen Mäusen
und Ratten zu befreien. Die Bürger wurden mit ihm einig und ver-
sicherten ihm einen bestimmten Lohn. Der Rattenfänger zog demnach
ein Pfeifchen heraus und pfiff; da kamen alsobald die Ratten und
Mäuse aus allen Häusern hervorgekrochen und sammelten sich um ihn
herum. Als er nun meinte, es wäre keine mehr zurück, ging er hinaus,
und der ganze Haufe folgte ihm, und so führte er sie an die Weser;
dort schürzte er seine Kleider und trat in das Wasser, worauf ihm alle
Tiere folgten und hineinstürzend ertranken.
Nachdem die Bürger aber von ihrer Plage befreit waren, reute sie
der versprochene Lohn, und sie verweigerten ihn dem Manne unter
allerlei Ausflüchten, so dass er zornig und erbittert wegging. Am 26. Juni,
auf Johannis und Pauli Tag, morgens früh sieben Uhr, nach andern zu
Mittag, erschien er wieder, jetzt in Gestalt eines Jägers, erschrecklichen
Angesichts, mit einem roten, wunderlichen Hut, und liess seine Pfeife in
den Gassen hören.
Alsbald kamen diesmal nicht Ratten und Mäuse, sondern Kinder,
Knaben und Mägdlein vom vierten Jahr an, in grosser Anzahl gelaufen,
worunter auch die schon erwachsene Tochter des Bürgermeisters war.
Der ganze Schwarm folgte ihm nach, und er führte sie hinaus in einen
Berg, wo er mit ihnen verschwand. Dies hatte ein Kindermädchen ge-
sehen , welches mit einem Kind auf dem Arme von fern nachgezogen
war, darnach umkehrte und das Gerücht in die Stadt brachte. Die Eltern
liefen haufenweise vor alle Thore und suchten mit betrübtem Herzen
ihre Kinder; die Mütter erhoben ein jämmerliches Schreien und Weinen.
Von Stund an wurden Boten zu Wasser und Land an alle Orte herum-
geschickt, zu erkundigen, ob man die Kinder oder auch nur etliche
gesehen hätte, aber alles vergeblich. Es waren im ganzen hundertund-
dreißig verloren. Zwei sollen, wie einige sagen, sich verspätet haben und
zurückgekommen sein, wovon aber das eine blind, das andere stumm
gewesen sei, also dass das blinde den Ort nicht hat zeigen können, aber
wohl erzählen, wie sie dem Spielmanne gefolgt wären, das stumme aber
den Ort gewiesen, ob es gleich nichts gehört. Ein Knäblein war im
Hemde mitgelaufen und kehrte um, seinen Rock zu holen, wodurch
es dem Unglück entgangen ist; denn als es zurückkam, waren die
andern schon in der Grube eines Hügels, die noch gezeigt wird, ver-
schwunden.
Die Strasse, wodurch die Kinder zum Thor hinausgegangen sind,
hiess noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts (wohl noch heute) die
bunge-lose (trommel-, tonlose, stille), weil kein Tanz darin geschehen,
noch Saitenspiel durfte gerührt werden. Ja, wenn eine Braut mit Musik
zur Kirche gebracht ward, mussten die Spielleute über die Gasse hin
stillschweigen. Der Berg bei Hameln, wo die Kinder verschwanden,
heisst der Poppenberg, wo links und rechts zwei Steine in Kreuzform
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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30 20. Auf meines Kindes Tod. 21. Sprichwörter. 22. Die Ernährung.
15. So fern und doch so nah!
Wie funkelten die Kerzen!
Wie ward dem Kindlein da,
Dein fremden, still zu Herzen,
Da's seinen Christbaum sah!
16. Es ward ihm wie ein Traum;
Da langten hergebogen
Englein herab vom Baum
Zum Kindlein, das sie zogen
Hinauf zum lichten Raum.
17. Das fremde Kindlein ist
Zur Heimat nun gekehret
Zu feinem heil'gen Christ;
Und was hier wird bescheret,
Es dorten leicht vergißt.
(Rückert.)
20. Auf meines Kindes Fod.
1. Von fern die Uhren schlagen, es ist schon tiefe Nacht,
Die Lampe brennt so düster, dein Bettlein ist gemacht.
2. Die Winde nur noch gehen wehklagend um das Haus,
Wir sitzen einsam drinnen und lauschen oft hinaus.
3. Es ist, als müßtest leise du klopfen an die Thür,
Du hätt'st dich nur verirret und kämst nun müd zurück.
4. Wir armen, armen Thoren! wir irren ja, im Graus
Des Dunkels noch verloren — du fandst ja längst nach Haus!
Jos. Frhr. v. Eichendorff.
21. Sprichwörter.
Guter Anfang ist halbe Arbeit. — Wollen ist Können. — Eig'ner
Herd ist Goldes wert; ist er gleich arm, ist er doch warm. — Thue es
recht, oder laß es angethan! — Fleißiger Hausvater macht hurtig Ge-
sinde. — Wer nicht vorwärts kommt, kommt rückwärts. — Viel ver-
dirbt, was Faulheit nicht erwirbt. — Zeit gewonnen, viel gewonnen. —
Aufschub ist ein Tagedieb. — Allzu fetter Herd selten lange währt. —
Viele Federn machen ein Bett. — Spare in der Zeit, so hast du in der
Not! — Ordnung hilft haushalten. —Wenn's am besten schmeckt, soll
man aufhören. — Die Gesunden und die Kranken haben ungleiche Ge-
danken. — Der Heimat Rauch ist leuchtender, als fremdes Feuer.
22. Die Ernährung.
Jedes höher organisierte lebende Gebilde enthält Eiweiß, Wasser,
Aschenbestandteile, Fett und Kohlehydrate*), und wenn einer dieser Stoffe
der Menge nach unter eine gewisse Grenze herabsinkt, tritt der Tod für
den betreffenden Körper ein. Daraus folgt, daß für den Fortbestand
des Lebens eine Zufuhr von Stoffen notwendig ist. Die Zufuhr von
*) Kohlehydrate bestehen aus Sauerstoff und Wasserstoff, den Bestandteilen des
Wassers; jedoch sind in den Kohlehydraten diese Stoffe so gebunden, daß ein fester
Körper entsteht. Kohlehydrate sind z. B. die verschiedenen Zuckerarten.
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